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Besuch im Schrebergarten

Schrebers Erben - Ein Vormittag unter Kleingärtnern

Leipzig ist der Geburtsort der Schrebergärten. Vor über 150 Jahren entstand hier die Idee, mit Aktivitäten an der frischen Luft Kinder und Jugendliche zu mehr Bewegung zu animieren. Rund um diese von einem gewissen Dr. Schreber erdachte sportliche Ertüchtigung wuchsen Gärten, die heute noch im Zentrum der sächsischen Messestadt einen Teil einer einzigartigen Kleingartenlandschaft ausmachen. Heute wie damals werden die kleinen Pachtparzellen bewirtschaftet, mittendrin dokumentiert ein Museum die Entwicklung der Kleingärten in Leipzig und Deutschland. Ronny Arnold hat die Anlage von Dr. Schreber in Leipzig besucht.

 

Samstagmorgen um kurz vor Neun. Seit knapp einer Stunde sind Birgit Rollinger und Alexandra Bremert, bei bestem Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen dabei, Laub zu kleinen Haufen zusammen zu harken und die Blätter in blaue Plastiksäcke zu stecken. Die beiden Gartenfreundinnen müssen ihre jährlichen Arbeitsstunden ableisten. Birgit Rollinger kennt das Ritual seit nunmehr 30 Jahren, so lange schon hat die Endfünfzigerin hier im Leipziger Zentrum-West bereits ihren Schrebergarten. 

Durch Corona bedingt sind wir jetzt spät dran mit unseren letzten Stunden. Das waren schon immer zehn Stunden. In anderen Vereinen sind es ja nur acht. Die Arbeit ist ein bisschen, na ja. Wenn man das hier zusammenfegt, das liegt in fünf Minuten wieder unten. Das ist wenig sinnvoll. Aber erst mal sieht die Anlage gepflegt aus, wenn Gäste kommen und Besucher. 

Als Birgit Rollinger ihren Garten übernommen hat, gab es noch die DDR. Auch damals waren es hier um die 150 Parzellen, mit Gemüse- und Blumenbeeten und kleinen, meist selbst gebauten Häuschen. Seitdem bewirtschaftet Birgit Rollinger 130 Quadratmeter. 

 

"Für mich hat sich eigentlich nichts verändert. Die ganzen alten Leute sind natürlich weg und es kommen immer wieder neue hinzu, viele mit Kindern. Aber alle nutzen ihren Kleingarten nicht so, wie wir es gewöhnt sind von früher. Man soll ja viel anbauen, aber durch diese trockenen Sommer jetzt immer, wächst es ja auch nicht besonders toll." 

 

Birgit Rollinger und Alexandra Bremert sind Gartennachbarinnen. Bremert ist erst seit gut fünf Jahren dabei. Gemeinschaftsstunden gehören für die 40-jährige eben zum Vereinsleben dazu. 

 

"Wir leisten hier schon mehr Stunden als in anderen Vereinen, das ist ein bisschen ärgerlich. Aber wir machen es eigentlich immer zusammen, damit man mal einen Schwatz haben kann und mal fünf Minuten Pause. Ich empfinde das als nötiges Übel, ist aber nicht schlimm, das jetzt für die Gemeinschaft zu tun."

 

Ihr Garten war ausgeschrieben, Bremert übernahm eine verwahrloste Ödnis. Ein Glücksfall, sagt sie, denn nicht erst seit Corona sei die Nachfrage hier riesig. 

 

"War ziemlich wüst, als ich den übernommen habe. Für normal bekommt man hier so gut wie keinen Garten ohne Wartezeit. Dieser war aber direkt ausgeschrieben, weil selbst die Leute auf der Warteliste den Garten nicht haben wollten. Also es war eine Unkrautwüste. Wie sieht er jetzt aus? Traumhaft! Tatsächlich so, wie ich ihn mir vorgestellt habe. Viele Pflanzen, Gurken, Tomaten, Erdbeeren, das Übliche, was man so selber verzehrt. Und eine schöne Wiese, es gibt seit diesem Jahr Rollrasen, hab ich mich sehr gefreut."

 

Besuch im Kleingartenmuseum im Herzen der Anlage. Die Ausstellungsräume sind direkt im Vereinshaus in der ersten Etage. Im Untergeschoss befindet sich ein Restaurant nebst Biergarten. Caterina Paetzelt leitet das Museum seit 15 Jahren. 

 

"Das ist weltweit das einzige dieser Art. Es gibt zwar Gärtnervereine und die haben ähnliche kleine Ausstellungen, aber als Museum. Hier ist das natürlich ganz anders aufgebaut, als wir haben auch Archivbestand und Magazine und forschen entsprechend. Und die Besonderheit hier ist, dass wir uns natürlich ganz authentisch in dieser historischen Gartenanlage befinden und als Museum in der Gartenanlage auch drei Schaugärten für unsere Besucher vorhalten, wo sie sich quasi beispielhaft verschiedene Zeitepochen noch mal anschauen können."

 

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ein Beitrag von:
Ronny Arnold


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über den Autor
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Jahrgang 1975, aufgewachsen in Sachsen und seit 2003 beim Mediendienst Ost. Vorher Studium der Soziologie, Journalistik und Politikwissenschaft an der Universität Leipzig und in Middlesbrough (UK). Ich arbeite als Autor für öffentlich-rechtliche Hörfunkanstalten der ARD (u.a. DLF, MDR, WDR, DLF Kultur, SWR, BR), als Tonassistent bei Fernsehproduktionen, Autor für Fernsehbeiträge und schreibe ab und an Texte für Zeitungen, Online-Portale und Magazine.

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