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Antisemitismus: Alte Gefahr mit neuen Gesichtern

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Gedenken am dritten Jahrestag des rechten Terroranschlags in Halle/Saale                     Foto: Michael Kraske

Baulärm dringt in das Büro von Nora Goldenbogen in der Synagoge am Hasenberg in Dresden. Wie in vielen jüdischen Einrichtungen werden auch hier die Sicherheitsvorkehrungen nach dem Terroranschlag von Halle weiter verschärft. Lange war Nora Goldenbogen hier Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, nunmehr ist sie als Vorsitzende des Landesverbands für die drei sächsischen Gemeinden in Dresden, Leipzig und Chemnitz zuständig. Sie hat sich bereit erklärt, von ihren langjährigen Erfahrungen mit Antisemitismus zu berichten. (…)

„Lange durften die Neonazi-Aufmärsche hier an der Synagoge vorbeilaufen“, erinnert sich Goldenbogen. Immer wieder hat sie bei der Stadt vergeblich dagegen protestiert. Es dauerte lange, bis in der Politik endlich die Sensibilität wuchs, das zu verbieten. „Antisemitismus ist ein Thema, das uns immer beschäftigt hat“, sagt Nora Goldenbogen. Die bedrohlichen Aufmärsche der Neonazis der 1990er Jahre vor Augen, fügt sie erstaunlicherweise hinzu: „Er ist in den letzten zehn bis 15 Jahren noch spürbarer geworden“.

Das Spektrum antisemitischer Alltagserfahrungen reicht von unbedachten Äußerungen von Besucher:innen, die bei der Besichtigung der Synagoge fragen, ob denn nicht genug jüdisches Geld für den Bau da gewesen sei, bis zur Auseinandersetzung mit dem Staat Israel. (…) „Bis heute werde ich für die Politik von Israel verantwortlich gemacht“, sagt Goldenbogen. „Auch wenn ich in Deutschland geboren bin, bekomme ich zu hören: Was macht denn deine Regierung da“? 

 

Das Lagebild “Antisemitismus - Alte Gefahr mit neuen Gesichtern” ist bei der Otto-Brenner-Stiftung erschienen und steht als kostenfreier Download zur Verfügung

https://www.otto-brenner-stiftung.de/wissenschaftsportal/publikationen/titel/antisemitismus/aktion/show/

Antisemitismus war nach dem Holocaust nie weg, sondern wird immer wieder neu gelernt.

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Michael Kraske


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über den Autor
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Michael Kraske, geboren 1972 in Iserlohn, Studium der Politikwissenschaft, Journalistik und Neueren Geschichte. Absolvent der Henri-Nannen-Journalistenschule. Sein politisches Sachbuch “Der Riss - Wie die Radikalisierung im Osten unser Zusammenleben zerstört” (Ullstein 2020) stand auf der Bestenliste von DIE ZEIT, ZDF und Deutschlandfunk Kultur und wurde mit dem renommierten Spezialpreis der Otto-Brenner-Stiftung für kritischen Journalismus ausgezeichnet. Aktuell: “Tatworte - Denn AfD & Co. meinen, was sie sagen” (Ullstein 2021) sowie als Mit-Herausgeber “Demokratie braucht Rückgrat - Wie wir unsere offene Gesellschaft verteidigen.” (Ullstein 2021). Sein Roman-Debüt "Vorhofflimmern" (freiraum-verlag 2016) erzählt von einer Hamburger Familie, die in den deutschen Osten auswandert und an rechter Gewalt zu zerbrechen droht. Der Roman “24/7” (freiraum-verlag 2018) handelt von Versuchung und Verführbarkeit.

Reportagen, Porträts und Essays u.a. für Spiegel Online,  Die Zeit, stern,  Geo, Tagesspiegel und Psychologie Heute,. Der Autor ist gefragter Gesprächspartner in Radio und TV zu den Themen Ostdeutschland, Rechtspopulismus und Rechtsextremismus und wurde mehrfach für seine publizistische Arbeit ausgezeichnet. Neben sozialen und politischen Themen publiziert Kraske auch zu psychischen Krankheiten, Liebe und Tod.  Seine Geschichten erzählen von Ausgebrannten, Revolutionären, Borderlinern, Escort-Damen, Hassobjekten, Depressiven, Lebensrettern, Geflüchteten und Sterbebegleitern. Seit vielen Jahren beschreibt er die Folgen einer gesellschaftlichen Radikalisierung durch Rassismus, rechte Gewalt und institutionelles Versagen und schaltet sich essayistisch in gesellschaftliche Debatten ein. 

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