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Proteste im Osten: In Wut vereint

Feindbild USA
Anti-Amerikanismus auf einer Demo in Erfurt

Auch an jenem Montagabend stellt sich Kristian Fink in Leipzig wieder der rechten Demo entgegen. An den 17. Oktober erinnert sich der junge Gewerkschaftssekretär so: Demnach hielt der rechte Umzug am Willy-Brandt-Platz an, als eine Detonation sowohl die Polizeikette, die beide Lager trennte, als auch Fink bei der Gegendemo aufschreckte. Ein illegaler Böller. „Diesen Moment hat ein Teilnehmer aus dem rechten Aufmarsch genutzt und mich angegriffen“, so Fink. Seine Version: Der Angreifer konnte problemlos durch die Polizeikette auf ihn zustürmen und ihm in den Unterleib treten, so dass er zu Boden ging. Danach konnte der Mann unbehelligt zurücklaufen, wo er in der Masse untertauchte. Den Täter zu fassen wäre „für die Polizeibeamten sehr einfach gewesen“, so Fink. (…) Immer wieder komme es nach Demos zu regelrechten Hetzjagden durch rechte Schläger. 

Wie schon bei den Corona-Protesten gingen im Osten zuletzt wieder einige Zehntausend Menschen auf die Straße. Sie stellen sich in die Tradition der Montagsdemos am Ende der DDR und sehen sich als bürgerliche Mitte. Darunter Angestellte, Rentnerinnen, Handwerker. Ihre Demos nennen sie Spaziergänge. Die Presse spricht von „Energie-Protesten“. Zentrum ist erneut Sachsen und Thüringen. Bei Demos wehen Friedens-, Deutschland- und Russlandfahnen, aber auch Reichsfahnen und jene der rechtsextremen Kleinpartei „Freie Sachsen“. 

Experten bezeichnen diese kleine, aber laute Minderheit als „hybride Protestgemeinschaften“. Johannes Kiess beobachtet diese für das Else-Frenkel-Brunswick-Institut der Uni Leipzig. Auf den Straßen fänden diverse soziale Schichten zusammen. Vom Alter her eher 50 plus, ein Abbild der ostdeutschen Gesellschaft kleiner Städte. Die Gründe zu demonstrieren variieren: Krieg, Preise, Corona. „Was diese Leute vereint ist Frustration“, so der Sozialforscher: „Man muss herausstellen, dass es sich um antidemokratische Mobilisierung handelt.“ Nicht im Sinne einer geschlossenen rechtsextremen Ideologie: „Das Ressentiment gegen die da oben, gegen die Politik, gegen die Demokratie und alles, was kompliziert ist - das reicht schon.“ 

 

Die ganze Reportage im stern und bei stern+ lesen:

https://www.stern.de/gesellschaft/rechtsextremismus-in-ostdeutschland--in-wut-vereint-32980118.html

Im deutschen Osten bilden wütende Bürger mit Rechtsextremisten immer häufiger antidemokratische Protestgemeinschaften 

ein Beitrag von:
Michael Kraske


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über den Autor
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Michael Kraske, geboren 1972 in Iserlohn, Studium der Politikwissenschaft, Journalistik und Neueren Geschichte. Absolvent der Henri-Nannen-Journalistenschule. Sein politisches Sachbuch “Der Riss - Wie die Radikalisierung im Osten unser Zusammenleben zerstört” (Ullstein 2020) stand auf der Bestenliste von DIE ZEIT, ZDF und Deutschlandfunk Kultur und wurde mit dem renommierten Spezialpreis der Otto-Brenner-Stiftung für kritischen Journalismus ausgezeichnet. Aktuell: “Tatworte - Denn AfD & Co. meinen, was sie sagen” (Ullstein 2021) sowie als Mit-Herausgeber “Demokratie braucht Rückgrat - Wie wir unsere offene Gesellschaft verteidigen.” (Ullstein 2021). Sein Roman-Debüt "Vorhofflimmern" (freiraum-verlag 2016) erzählt von einer Hamburger Familie, die in den deutschen Osten auswandert und an rechter Gewalt zu zerbrechen droht. Der Roman “24/7” (freiraum-verlag 2018) handelt von Versuchung und Verführbarkeit.

Reportagen, Porträts und Essays u.a. für Spiegel Online,  Die Zeit, stern,  Geo, Tagesspiegel und Psychologie Heute,. Der Autor ist gefragter Gesprächspartner in Radio und TV zu den Themen Ostdeutschland, Rechtspopulismus und Rechtsextremismus und wurde mehrfach für seine publizistische Arbeit ausgezeichnet. Neben sozialen und politischen Themen publiziert Kraske auch zu psychischen Krankheiten, Liebe und Tod.  Seine Geschichten erzählen von Ausgebrannten, Revolutionären, Borderlinern, Escort-Damen, Hassobjekten, Depressiven, Lebensrettern, Geflüchteten und Sterbebegleitern. Seit vielen Jahren beschreibt er die Folgen einer gesellschaftlichen Radikalisierung durch Rassismus, rechte Gewalt und institutionelles Versagen und schaltet sich essayistisch in gesellschaftliche Debatten ein. 

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